Die Osnabrücker Zeitung befasst sich in einem längeren Artikel mit einem linksseitigen Radweg entlang einer Landstraße, dem allerdings ein blaues Verkehrszeichen fehlt: Auch in Lotte: Radweg ohne Schild als Angebot
Ein „Riesenärgernis“ ist für André Harte aus Büren die unterschiedliche Beschilderung der Radwege im Lotter Beritt. Die neuen Bürgerradwege dürften linksseitig gar nicht benutzt werden; da riskiere man ein Bußgeld, beklagte sich der passionierte Rennradfahrer bei der WT. Wir sind dem Fall nachgegangen – rechtlich und vor Ort, wobei das radlerfreundliche Wetter um Neujahr hilfreich war.
Der Witz ist: Der Artikel liegt über weite Strecke mit seiner Argumentation gar nicht mal so richtig weit daneben. Die Probleme von innerörtlichen Radwegen werden erstaunlich detailliert beschrieben, sogar für die Erwähnung des Rechtsweges gegen unzulässige Benutzungspflichten war Platz, ja, man ist sich sogar bewusst, dass das Verkehrszeichen „Radfahrer absteigen“ keinerlei rechtliche Wirkung entfaltet. Das kennt man von der Presse leider auch ganz anders.
Scheitern tut’s dann leider an den üblichen Stellen:
Wie Pressesprecherin Kirsten Wessling vom Kreis Steinfurt auf Anfrage mitteilt, gilt seit 2010 durch veränderte Rechtsprechung eine neue Regelung. Dort, wo das Straßenverkehrsamt die blauen Schilder installiert, entsteht eine Benutzungspflicht; dort, wo die Schilder fehlen, besteht ein Benutzungsrecht.
Die Benutzungspflicht und ihre Kennzeichnung mit blauen Verkehrszeichen gilt keineswegs erst seit der angeblich veränderten Rechtsprechung seit 2010, sondern steht bereits seit 1997 in dieser Form in der Straßenverkehrs-Ordnung.
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2010 darf die Benutzungspflicht nur ausnahmsweise angeordnet werden.
Das war eigentlich auch schon vorher klar. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Behörden nur noch einmal von ganz oben herab erinnert, dass die Vorschriften nicht zum Spaß in den Vorschriften stehen, sondern auch Behörden daran gehalten sind, sich bei der Einrichtung von Radwegbenutzungspflichten an § 45 Abs. 9 StVO zu halten. Eine geänderte Rechtslage hat sich damit nicht ergeben, außer dass auch andere Verwaltungsgerichte Klagen gegen benutzungspflichtige Radwege dank dieser Begründung nicht mehr abweisen werden.
Insgesamt vermischt der Artikel leider Benutzungspflicht und Benutzungsrecht. Eine Radwegbenutzungspflicht entsteht, das ist ganz korrekt dargestellt, durch die Gegenwart eines der blauen Schilder. Fehlen diese Schilder, gibt es zwar tatsächlich ein Benutzungsrecht — aber nur für Radwege rechts der Fahrbahn. Verläuft der Radweg hingegen links, was ja insgesamt das Problem des beschriebenen Artikels ist, müssen Radfahrer wohl oder übel auf die Fahrbahn ausweichen. Etwaige Piktogramme auf dem Radweg, die ein Benutzungsrecht auf der falschen Seite suggerieren, entfalten ebenfalls keine rechtliche Wirkung.
Natürlich kann sich das Ordnungsamt darauf zurückziehen, solche Geisterradler nicht mit Bußgeldern zu jagen. Ob die Gesamtkonstruktion nun unbedingt klug ist, sei mal dahingestellt — womöglich kommen die Radfahrer dann auf die Idee, auch in anderen Gegenden generell auf der linken Seite zu radeln, weil das ja zu Hause erlaubt zu sein scheint.